Wunsch des Betroffenen bei der Betreuerauswahl

Wenn die Betreuerauswahl des Betroffenen seinem Wohl zuwiderläuft

Der Wille des Betreuten ist bei der Betreuerauswahl vorrangig. Welche Möglichkeiten gibt es, wenn sein Vorschlag seinem Wohl zuwiderläuft? In diesem Fall muss das Betreuungsgericht die Anordnung einer Mitbetreuung prüfen.

Der Fall: Die 1965 geborene, im Heim lebende Betroffene leidet an einer spastischen Spinalparalyse mit kognitiven Störungen. Das Heim hat eine Betreuung angeregt, da sich die Zusammenarbeit mit den Angehörigen äußerst schwierig gestaltete. Das Betreuungsgericht bestellte einen Berufsbetreuer mit umfassenden Aufgabenkreisen. Hiergegen legte die am Verfahren beteiligte Mutter der Betroffenen Beschwerde mit dem Ziel ein, selbst zur Betreuerin bestellt zu werden. Das Landgericht wies die Beschwerde der Mutter zurück. Denn die Mutter sei – entgegen dem Wunsch der Betroffenen – auch im Bereich der Gesundheitssorge nicht als Betreuerin geeignet.

Der Aufgabenkreis der Vermögenssorge sei sehr eng mit der Gesundheitssorge verbunden und dürfe nicht der Einflussnahme der dafür nicht geeigneten Mutter der Betroffenen unterliegen. Ähnliches gelte für die weiteren Aufgabenkreise.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. 

Der Beschluss des BGH vom 22.04.2015, Az. XVII ZB 577/14

Zunächst folgt der BGH dem Beschluss des Landgerichts, dass die Mutter zur Wahrnehmung der Gesundheitssorge nicht geeignet sei. Dem Vorschlag der Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 könne nicht entsprochen werden. Wenn das Landgericht jedoch die Schlussfolgerung zieht, dass die Mutter deshalb auch zur Wahrnehmung der weiteren Aufgabenkreise ungeeignet sei, so folgte der BGH dem nicht. Denn die Mutter könne möglicherweise noch für die Heimangelegenheiten und die darauf bezogene Aufenthaltsbestimmung geeignet sein.

Wenn das Landgericht eine Unbeachtlichkeit des Vorschlags der Betroffenen für die Vermögenssorge nur allgemein mit den bestehenden Zusammenhängen begründet, so ist diese Argumentation einerseits nicht exakt genug, andererseits ist die Möglichkeit einer Mitbetreuung nach § 1899 BGB nicht berücksichtigt worden. Durch diese Mitbetreuung könnte der Wille der Betroffenen nach § 1897 Abs. 4 BGB weitestgehend berücksichtigt werden. Der BGH hat deshalb im Ergebnis den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und zurückverwiesen.

Bedeutung der Entscheidung für Ihre Betreuungspraxis

Der Wille des Betreuten ist bei der Betreuerauswahl von entscheidender Bedeutung. Es muss klar abgegrenzt werden, ob der von dem Betreuten vorgeschlagene Betreuer für einzelne Aufgabenkreise geeignet ist, und ob für die anderen Aufgabenkreise ein Mitbetreuer zu bestellen ist.

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29. Juli 2016 | Kategorie: Corinna Hell, Urteile |